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Wolken des Neptuns verschwunden – zum ersten Mal seit fast 30 Jahren

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Die Effekte des solaren Maximums wirken vermutlich und entgegen jeder Erwartung bis tief in den Weltraum.

 

Aufnahmen aus dem All sowie von der Erde zeigen den beinahe vollständigen Verlust der Neptunwolken. Der Grund dafür ist momentan noch unklar, aufgrund des Zeitpunktes wird ein Zusammenhang mit der Stärke des aktuellen Sonnenzyklus vermutet. Als Konsequenz priorisiert die NASA eines ihrer Projekte, in welchem Amateurastronomen um Unterstützung bei der Beobachtung von Neptun und Uranus gebeten werden.

Neptun ist auf Aufnahmen, im Vergleich zu den anderen Planeten unseres Sonnensystems, am ehesten mit der Erde zu verwechseln, aufgrund seiner bläulichen Färbung sowie seiner weißen Flecken. Diese Flecken haben sich derzeit aber in Richtung Südpol zurückgezogen, Neptuns Wolkendecke war seit Einführung der hochwertigen Fotografie noch nie kleiner. Für einen Planeten, der nach dem römischen Gott des Meeres benannt ist, scheint das auch zu passen, daraus resultieren jedoch spannende Fragen.

Diese Bildreihe des Hubble-Weltraumteleskops zeigt das Wachstum und Schwinden der Wolkendecke auf dem Neptun. Diese Langzeitbeobachtungen zeigen, dass die Wolkenanzahl nach einem Höhepunkt im Sonnenzyklus zunimmt – vorausgesetzt die Sonnenaktivität steigt über einen Zeitraum von 11 Jahren rhythmisch an bzw. fällt ab. Die chemischen Veränderungen werden durch die Prozesse der Photochemie verursacht, die in der oberen Atmosphäre des Neptuns ablaufen und Zeit benötigen, um Wolken zu bilden. Im Jahr 1989 lieferte die NASA-Raumsonde Voyager 2 die ersten Nahaufnahmen von linearen, hellen Wolken, die Zirruswolken auf der Erde ähneln und hoch in der Neptunatmosphäre zu sehen sind. Sie bilden sich über dem größten Teil des Methans in der Neptunatmosphäre und reflektieren alle Farben des Sonnenlichts, was sie weiß erscheinen lässt. Hubble macht dort weiter, wo der kurze Voyager-Vorbeiflug aufgehört hat, und beobachtet den Planeten jedes Jahr. Credits: NASA, ESA, Erandi Chavez (UC Berkeley), Imke de Pater (UC Berkeley)

Die Entfernung Neptun-Sonne beträgt durchschnittlich 4,5 Milliarden Kilometer, das ist die 30fache Distanz der Strecke Sonne-Erde, folglich könnte man den Effekt der Sonne als eher moderat einstufen. So ist es auch zu erklären, dass Imke de Pater, Professorin an der UC Berkeley, keine großen Unterschiede zwischen den Aufnahmen der Neptunwolken über den mittleren Breitengraden, die vom Hubble-Weltraumteleskops und vom W. M. Keck-Observatorium auf Hawaii angefertigt worden sind, vermutet hätte.

Seit 2019 ändert sich das und die Wolken werden weniger augenfällig. “Ich war überrascht, wie schnell die Wolken auf Neptun verschwanden”, erklärt de Pater. Neptuns Wolkendichte hat früher schon variiert, jedoch nicht in der Intensität innerhalb des Beobachtungszeitraumes, der seit 1994 und nach der Hubbles Korrekturphase eingeläutet worden war.

Die Leuchtkraft des Neptuns war zu jenem Zeitinterval im Jahr 2002 am höchsten, was der Wolkendichte geschuldet war, pendelte sich 2007 auf einen Minimalwert ein und stieg 2015 wieder an. Das folgende Minimum im Jahr 2020 war aber deutlich niedriger als in sämtlichen Aufzeichnungen davor. Weiters konnte kein direkter Zusammenhang mit den langen Jahreszeiten des Neptuns festgestellt werden.

De Pater zeichnete gemeinsam mit ihren Kollegen die Wolkendichte sowie die Gesamthelligkeit der Neptunhemisphäre, die der Erde zugewandt ist, auf und erkannte, dass das Muster mit dem des Sonnenzyklus übereinstimmt, der durchschnittlich ca. 11 Jahre andauert. In solch einem Zyklus ist sowohl im sichtbaren wie auch im infraroten Lichtbereich kaum eine Änderung feststellbar, wohl aber im ultravioletten Bereich dessen Produktion deutlich erhöht ist, und gleichzeitig nehmen auch die Sonnenflecken, Fackeln und koronalen Massenauswürfe mit den gemessenen Spitzenwerten zu.

Neptune’s Disappearing Clouds Linked to the Solar Cycle

 

Dieser Zusammenhang ist nicht so leicht auszumachen und zwar aus einem Grund: der Anstieg des UV-Lichtes, insbesondere der so genannten Lyman-Alpha-Emitter -welche im Bereich bei 121,6 Nanometern liegen- geht nicht mit der Wolkenbedeckung des Neptuns sofort einher, sondern erfolgt erst zwei Jahre danach. Sollte sich diese Theorie erhärten, wäre diese Verzögerung des Wolkenbildungsprozesses mehr als bemerkenswert und würde weitere Fragen aufwerfen.

Indizien sprechen für eine Rückkehr der Wolken in die nördliche Polregion, aufgrund der zunehmenden Aktivität der Sonne, wie erst kürzlich an den spektakulären Polarlichtern zu sehen war. Diese Hinweise widersprechen einem früheren Interpretationsansatz, der eine negative Korrelation zwischen Helligkeit und Sonnenaktivität hergeleitet hatte.

“Diese bemerkenswerten Daten liefern uns den bisher stärksten Hinweis dafür, dass Neptuns Wolkenbedeckung mit dem Sonnenzyklus einhergeht”, so de Pater. “Unsere Ergebnisse stärken die Theorie, dass die UV-Strahlung der Sonne, wenn sie stark genug ist, eine photochemische Reaktion auslöst, welche für sich für die Erzeugung von Neptuns Wolken verantwortlich zeichnet.“

Die Verzögerung ist jedoch nicht das einzige ungelöste Phänomen. Und auch wenn de Pater nachvollziehen kann, auf welche Art und Weise UV-Strahlen die Wolkenerzeugung steigern können, sie würde dennoch erwarten, dass die hochenergetischen Photonen chemische Reaktionen auslösen, die diese Wolken dunkler machen würden. Das passiert aber anscheinend nicht und der Grund dafür ist vorerst unklar. So gibt es weitere Prozesse auf dem Neptun, die eine Auswirkung auf die Wolkendecke ausüben, wie z. B. Kräfte, die aus dem Inneren wirken, deren Zusammenspiel aber noch ungelöst bleibt.

Trotz seiner Abgeschiedenheit und seiner langsamen orbitalen Umlaufgeschwindigkeit hat der Neptun die stärksten Stürme des Sonnensystems. 1989 registrierte Voyager 2 ein riesiges Zyklonsystem, welches “Großer Dunkler Fleck” genannt wurde, sowie ein weiteres kleineres. Seitdem haben wir weitere dunkle Regionen entdeckt, können diese aber noch nicht begründen.

Die Arbeit wurde durch die starke Beanspruchung der beteiligten Teleskope erschwert, dass diese nur von Zeit zu Zeit auf Neptun gerichtet wurden. Aus diesem Grund bitten die professionellen Astronomen Amateure mit großen Privatteleskopen, diese im September zu unterstützen.

Die Ergebnisse werden in der Zeitschrift Icarus veröffentlicht.

Anmerkung: Dieser Artikel wurde leicht editiert und aus dem Englischen übersetzt, das Original findet ihr hier.