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„Können schlafende Zeugen lügen? Spannende Geschichten um Hypnose und Kriminalität“ – Nachlese

Am Dienstag, 5. Juni 2018 hat MMag DDr. Christian Bachhiesl als Leiter des Hans Gross Kriminalmuseums zu einem spannenden Vortrag zum Thema Hypnose eingeladen. Dr. Ilias Christidis, Allgemeinmediziner und Facharzt für Innere Medizin sowie Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für medizinische Hypnose war der Vortragende. Das Publikumsinteresse an diesem Vortrag war enorm, der Vortragssaal SZ 01.18 im Hauptgebäude der Grazer Uni war berstend voll.

Zu Beginn des Vortrags erläuterte Christidis Begriffe wie “Bewusstsein” und das “Unbewusste” und verglich dabei unser Bewusstsein mit dem Arbeitsspeicher eines Computers sowie das Unbewusste mit der Festplatte. Das Bewusstsein ist zuständig für das analytische Denken, das Unbewusste für das schnelle Denken, wie Christidis anhand von kurzen Beispielen auch verdeutlichte.

Christidis verglich die Hypnose mit einer Fremdsprache, die vom Unterbewusstsein verstanden wird, das Bewusstsein jedoch verwirrt und er veranschaulichte das Ganze für das Publikum in seiner den Vortrag begleitenden Power-Point-Präsentation. In diesem Beispiel möchte man ein Haus besuchen, das von einem Zaun umgeben ist und von einem Türsteher bewacht wird. Das Haus repräsentiert das Unbewusste, der Zaun steht für den Filter zwischen Bewusstsein und Unbewusstem und der Türsteher stellt das Bewusstsein dar. Mit der Sprache des Unbewussten wird der Türsteher verwirrt, der geht schließlich zur Seite und eröffnet so eine Möglichkeit das Unbewusste zu erreichen.

Interessant waren auch die Zahlen der pro Tag aufgenommen Informationen von Bewusstsein und dem Unbewussten die Christidis nannte. 95% der Informationen werden unbewusst registriert und nur 5% bewusst. 98% der Tätigkeiten die man am Tag vornimmt werden unbewusst ausgeführt, nur 2% bewusst.

Für den Zusammenhang zwischen Hypnose und Kriminalistik ist wichtig, dass emotionale Ereignisse vom Gehirn dauerhaft gespeichert werden, wie Christidis betonte. Negative, traumatische Erlebnisse werden direkt im Unterbewussten gespeichert und können nur mehr schwer abgerufen werden. Mittels Hypnose kann dieser Schutzmechanismus des Gehirns überwunden werden und man kann so Zugang zu diesen Informationen erlangen.

Christidis erläuterte, dass dies in der Kriminalistik eine wichtige Rolle spielen kann, wenn man auf diese Weise z.B. verborgene Erinnerungen von Zeugen von Kriminalfällen wieder an die Oberfläche bringen kann. Um dies für das Publikum zu veranschaulichen zeigte Christidis einen kurzen Film, indem der Fall eines amerikanischen Brandstifters geschildert wird, dem die Ermittler aufgrund von Zeugenaussagen unter Hypnose auf die Spur kommen.

Auch einen Fall aus dem deutschsprachigen Raum, in dem Hypnose eine Rolle bei der Aufklärung spielte führte Christidis in seinem Vortrag an. Der „Autobahnraser von Karlsruhe“ verursachte den Tod einer Mutter und ihres Kindes. Ein Zeuge wurde unter Hypnose befragt und konnte so Teile des Kennzeichnens wiedergeben.

Als weiteres Beispiel führte Christidis den Entführungsfall Richard Oetker aus dem Jahr 1976 an. Das Opfer wurde nach seiner Freilassung im Zuge der Ermittlungen in Trance versetzt. Das dadurch entstandene Phantombild war erstaunlich akkurat und bildete ein Puzzlestück, das dabei half den Entführer 2 Jahre später zu fassen.

Christidis erläuterte dem Publikum den Begriff „Priming“ anhand eines anschaulichen Beispiels aus der Filmwelt. Im etwa 2-minütigen Clip aus dem Film „Focus“ (2015) verkörpert Will Smith einen Spieler, der mit einem Geschäftspartner wettet, dass er erraten könne, welchen Football-Spieler sein Gegenüber bei einem Footballspiel ausgesucht hat. Der Gegenspieler wird dabei von der Figur, die Will Smith verkörpert so manipuliert, dass ihm im Laufe eines Tages bei allen möglichen Gelegenheiten immer wieder die Nummer 55 unterkommt, die gleichzeitig die Trikotnummer eines Footballspielers ist. Beim Footballspiel im Stadion schließlich schweift der Blick des Wettenden über das Spielfeld, er entdeckt die Nummer 55 und entscheidet sich diesen Spieler auszuwählen.

Christidis bezeichnete das Priming als sanfte Beeinflussung des Unbewussten in eine bestimmte Richtung und strich heraus, das beim Priming vor allem die Wiederholung eine wichtige Rolle spielt. In diesem Zusammenhang wies Christidis auf den Florida-Effekt hin, der laut einer Studie bewirkte, dass Menschen, die wiederholt das Wort „alt“ hörten, sich langsamer und behäbiger bewegten.

Quelle: pixabay

Christidis wies im Zusammenhang mit der Nutzung von Hypnose zur Aufklärung von Kriminalfällen auch auf die Problematik hin, dass Personen, die gut hypnotisierbar sind oft Dinge unter Hypnose sagen, die nicht wahr sind. Ein weiterer wichtiger Punkt, auf den der Vortragende hinwies, ist die Frage, ob der Hypnotiseur die Person unter Hypnose beeinflussen könnte. Des weiteren könnte eine etwaige Traumatisierung einer Person unter Hypnose erfolgen.

Die deutsche Rechtslage verortet die Hypnose in der selben Kategorie wie Gewalteinwirkung. Christidis kritisierte dies und vertrat den Standpunkt, dass eine Hypnose gegen den Willen einer Person nur schwer möglich sei, ganz ausschließen wollte er diese Möglichkeit aber dennoch nicht.

Christidis ging auch auf die Voraussetzungen ein die nötig sind, um die Hypnose im Rahmen der Kriminalistik einzusetzen und erläuterte auch eine weitere Methode, die als Alternative zur Hypnose angewandt werden kann, nämlich das kognitive Interview.

Die forensische Hypnose ist für Christidis eine Option um bei den Ermittlungen einiges an Informationen von Zeugen herausholen zu können um so der Lösung eines Falles näher zu kommen.

Gegen Ende seines Vortrags ging Christidis auf sein Tätigkeitsfeld der medizinischen Hypnose ein und betonte, dass die Schwächen der forensischen Hypnose die Stärken der medizinischen Hypnose seien. In seiner praktischen Arbeit setzt Christidis die Hypnoakupunktur ein, die etwa in der Raucherentwöhnung, bei unerfülltem Kinderwunsch und bei vielem mehr eingesetzt wird.

 

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